E5 Teil I Oberstdorf – Kaunergrathütte/Pitztal

Von Spielmannsau bei Oberstdorf im Trettachtal folgt der Weg zunächst in den weitgehend engen und steil ansteigenden Sperrbachtobel, vorbei an der Loretto-Kapelle hinauf zur Kemptner Hütte (1.844 m) im Allgäuer Hauptkamm. Sehr schön gelegen inmitten eines anschaulichen Felsenkessels. Schon hier wird so mancher Teilnehmer einen Vorgeschmack auf den Anspruch der bevorstehenden Tourenwoche bekommen haben. Die Charakteristik der Allgäuer Berglandschaft wechselt ab zwischen grünen, sanft geschwungenen und schroffen, felsigen Geländeformen.

Von der Kemptner Hütte führt der Weg zunächst hinauf zum Mädelejoch (1.973 m), der Grenze zwischen Deutschland und Österreich sowie Bayerns und Tirol. Dort ist auch den Übergang vom Allgäuer Land ins Lechtal. Weiter geht es steil hinunter durch das Höhenbachtal, dann gemäßigt über Weideflächen, vorbei am sehenswerten Simms-Wasserfall und, wer will, über Österreichs längste Hängebrücke nach Holzgau (1.103 m) im Lechtal. Der Aufstieg zur Memminger Hütte (2.242 m) entspricht im Charakter und Anspruch etwa dem von Spielmannsau zur Kemptner Hütte. Er führt am Stock des Seekogels entlang, vorbei an einem Wasserfall und etwas später herüber zu der schön gelegenen Hütte inmitten einer Felsenarena im Lechtaler Hauptkamm. Steinböcke und Murmeltiere kann man in der Hüttenregion kaum verfehlen.

Nach der Memminger Hütte überquert der E5 den Lechtaler Hauptkamm. Vorbei an drei Gletscherüberbleibseln, den Seewiseen, verläuft der Weg steil hinauf zum Übergang Seescharte (2.599 m) und hinunter zum Inntal. Hinter der Seescharte erwartet die Wanderer ein schöner, aber mit ca. 1.900 Höhenmetern schier nicht enden wollender Abstieg nach Zams im grünen Inntal. Der anstrengendste Teil liegt mit knapp 2 Stunden am Beginn des Abstieges. Danach geht es moderat weiter hinunter über Weidegebiet und Lärchenwald. Über einen in den Fels gesprengten, aber gut begehbaren Steig an der Felsflanke des "Zamer Lochs"“, der tiefsten Schlucht der Nordalpen, läuft der Abstieg dann zäh in Zams (775 m) aus. Unsere Mainzer Übernachtungsstätte ist die Zamer Skihütte (1.740m), die wir über die Mittelstation der Venet-Seilbahn erreichen.

Den Rest des Seilbahnweges hinauf zum Krahberg (2.208 m) erledigen wir dann am nächsten Morgen. Oben angekommen, führt der Weg über den Kamm des Venet-Gebirges aufwärts bis zu seinem höchsten Punkt, der Glanderspitze (2.512 m). Über steile Grashänge und beweidetes Almengebiet geht es für den heutigen Tag nur noch bergab. Vorbei an den bewirtschafteten Einkehrstätten Galflunalm und der Larcher Alm hinunter zur Pferderanch Neu-Amerika (ca. 1.300 m) nach Piller. Eine leichte Etappe. Sie gilt als Ausruhtag! Gut positioniert vor den anstrengenden weiteren Etappen.

In Piller trennt sich unser Weg von der Busfraktion der 6-Tagegeher nach Meran. Wir gehen die Kaunergratvariante des E5, eines der schönsten Wegstücke im gesamten E5 (E5 Wanderführer Rother Verlag). Von der Pferderanch führt der Weg durch schöne und steile Waldpfade hinauf zur Aifner Alm (1.980 m). Gut geeignet für eine Einkehr. Wir sind im Kaunergrat und in den Ötztaler Alpen angekommen. An der Aifner Alm erfolgt der Einstieg in einen der schönsten Höhenwege der Ötztaler Alpen. Beginnend mit dem Kaunertaler Panoramaweg, weiterführend mit dem Dr. Angerer-Höhenweg via Verpeilhütte. Immer hoch über dem urtümlichen Kaunertal. Faszinierende Weit- und Tiefblicke! Konditionsstarke Bergwanderer können die Etappe zur Verpeilhütte in etwa 10 Stunden zurücklegen. Wir aber teilen die Etappe und steigen an der am Höhenweg gelegenen Falkaunsalm zum unterhalb gelegenen Wiesenhof (1.607 m) oder aber durch den Gallrutt-Wasserstollen ins Kaunertal (1.240 m) zum Übernachten ab. Von dort führt die Tour am nächsten Tag wieder hinauf zur Gsallalm am Höhenweg und weiter an einem rauschenden Gebirgsbach entlang zur Verpeilhütte (2.025 m). Die Alpenvereinshütte der DAV Sektion Frankfurt/Main ist herrlich gelegen an der Scheide zwischen Wald, Alm und Fels.

Spätestens jetzt wird es auf weiterem Pfad wieder einmal hochalpin. Die Grashänge lassen wir bald schon hinter uns. Wir sind im Fels und steuern den hochalpinen Übergang vom Kaunertal ins Pitztal, das Apere Madatschjoch, an. Vorbei an den von der Natur in Jahrtausenden geprägten skurrilen Bergformationen der Madatschtürme und des Verpeilturms folgt das wohl anspruchsvollste Stück des gesamten E5, die Überschreitung des Kaunergrates. Leicht den Gletscher berührend, führt der E5 hinauf, zunächst auf der rechten Flanke, nach der Hälfte auf der linken Flanke einer steilen Rinne, gut versichert zum Aperen Madatschjoch (3.030 m). Im Wechsel, zunächst auf der linken Flanke, dann auf der rechten Flanke der Abstiegsrinne geht es hinunter über einen versicherten Kamin zum Ausstieg aus dem Übergang. Der Kaunergrat ist überquert. Wir befinden uns inmitten einer faszinierenden und einmaligen Hochgebirgsarena. Nach etwa 20 Minuten erreichen wir das Herzstück des Kaunergrates, die Kaunergrathütte (2.817 m). Eine einfache, sympathische Berghütte mit großartiger Atmosphäre und guter Führung in herrlicher Balkonlage. Eine Berghütte, wie man sie sich vorstellt! Hier muss man verweilen und übernachten! Ein Geheimtipp für alle echten Bergfreunde!

Mit dem etwa 2,5-stündigen Abstieg ins Pitztal endet Teil I des E5 Nordteils.

Text: Manfred Neuber, Fotos: Ralph Demuth und Michael Gutmann