Dort wo Teil I zu Ende ging, auf der Kaunergrathütte oder in Plangeroß/Pitztal, startet der Teil II die Fortsetzung der Alpenüberquerung via Süden. Inmitten der Hochalpen, umgeben von einer traumhaften Bergkulisse! Entweder über den anspruchsvollen Cottbuser Höhenweg oder den leichten Weg der Pitze entlang, machen wir uns auf die Tagestour hinauf in die Ötztaler Eiswelt, zum Dach Tirols. Zwei Wegvarianten bieten sich von Mittelberg (1.736 m) an: der Jägersteig oder der Steig am Wasserfall. Häufiger wird an anspruchsvollere, der Jägersteig, begangen. Bald müssen auch hier die steilen Grashänge die Dominanz dem Fels überlassen. Etwa 1 Stunde vor der Braunschweiger Hütte wird hoch über dem Mittelbergferner der erste Gletscherausläufer erreicht. Ein gewaltiger Eindruck! Im Blick und bald oben das Tagesziel, die Braunschweiger Hütte (2.759 m). Ein gewaltiges Eispanorama breitet sich vor dem Auge des Wanderers aus. Greifbar nahe Tirols höchster und Österreichs zweithöchster Berg, die Wildspitze (3.768 m).
Am nächsten Morgen geht es weiter mit einem steilen und kurzen (1 Stunde) Aufstieg zum Pitztaler Jöchl (2.996 m) oder etwas einfacher zum benachbarten Rettenbachjoch (2.990 m). Wir wählen je nach Wegsituation den Weg über das Pitztaler Jöchl. Es bildet den hochalpinen Übergang vom Pitztal ins Ötztal. Vom Joch aus, mit Blick ins Rettenbachtal, steigt der E5 steil ab über ein je nach Jahreszeit und Wetterlage mehr oder weniger großes Gletscherschneefeld zum Restaurant der Skistation des Rettenbachferners (2.684 m). Dort trennt sich endgültig der Weg der 6-Tage-Variante-Geher via Meran von dem der echten Alpenüberquerer. Mit dem Bus durchfahren letztere in knapp 10 Minuten den Rosi- Mittermaier-Tunnel (zu Fuß verboten!) bis zum Tiefenbachferner (2.793 m). In dessen unmittelbarer Nähe mündet der E5 in den Venter Panoramaweg ein. Der Weg wird seinem Namen mehr als gerecht. Panorama nach allen Richtungen! Gut 4 Stunden Fußweg auf zum größten Teil schmalen Steig, hoch über dem Venter Tal, mit großartiger Aussicht vorbei an der Kapelle des Gletscherpfarrers Franz Senn (1831 - 1884) zum Bergsteigerdorf Vent/Ötztal (1.895 m).
Das nächste Tagesziel ist die Similaunhütte, ggf. Vernagt am See im Schnalstal. Durch das lang gezogene Niedertal verläuft der E5 auf breitem Fahrweg zunächst bis zur Martin-Busch-Hütte (2.501 m). Dann wird es nach und nach alpin und hochalpin. Die Strecke hat durchaus historische Bedeutung: Der Fund der Gletscherleiche Ötzi 1991 belegt, dass schon 3.000 Jahre vor Christus der Alpenhauptkamm über das gut 3.000 m hohe Niederjoch überquert wurde. Bei gutem Wetter führt uns der Weg in einem Exkurs an Ötzis Fundstelle (3.210 m) im Hauslabjoch vorbei. Bei faszinierender Aussicht verläuft der Exkurs nun über einen Grat/Kamm. Er bildet die Grenzlinie zwischen Österreich und Italien sowie Nordtirol und Südtirol. Am Ende des Bergrückens treffen wir auf die höchstgelege Hütte auf dem E5, der Similaunhütte (3.019 m) im Niederjoch. Wir sind auf italienischen Boden!
Die Südflanke des Alpenhauptkamms ist erreicht! Hinunter geht es zunächst über einen Felssteig, dann über Moränen- und Weidegebiet und abschließend durch einen Lärchenwald nach Vernagt am See (1.711 m) im Schnalstal. Der lange Weg aus dem Tal lässt sich durch ein Stückchen Busfahrt verkürzen.
Ca. 25 Minuten trennen dann den E5-Wanderer vom Meraner Höhenweg, auf dem wir die nächsten 2 Tage weiterwandern werden. Oberhalb von Katharinaberg steigen wir ein und sind wieder ganz auf der E5-Linie im Naturpark Texelgruppe. Nach den Strapazen der hinter uns liegenden Überquerung der Hochalpen erfolgt hier der Übergang ins Genussbergwandern. Von Bauernhof zu Bauernhof führt der E5 aus dem Schnalstal heraus, oberhalb Reinhold Messners Schloß Juval vorbei und in den Naturnser Sonnenhang des Vintschgaus hinein. Der Weg gewährt uns einen guten Einblick in den faszinierenden und anstrengenden Alltag der Südtiroler Bergbauern. Schon fast zwingend, dass wir mit dem Patleidhof (1.386 m) unsere Übernachtungsstätte auf einem solchen Bauernhof ausgewählt haben. Wir schlafen in einem original belassenen, etwa 800jährigen Bauernhaus.
Am nächsten Morgen geht es auf dem Meraner Höhenweg weiter. Immer am Südhang der Texelgruppe, einem südlichen Ausläufer der Ötztaler Alpen, entlang, hoch über dem Vintschgau, erreichen wir bald die Lahnbachschlucht (1.000-Stufen-Schlucht), im Volksmund Katzenleiter genannt. Mehr als tausend Stufen hinauf und hinunter fordern Kraft und Kondition der Wanderer. Die Strecke ist interessant und abwechslungsreich. Herrliche Ausblicke, ein märchenhafter Steinwald und mehrere Einkehrmöglichkeiten lassen die doch recht lange Etappe kurzweilig erscheinen. Sie endet am Hochganghaus (1.840 m).
Mit gutem Blick auf die Dolomitenkette verlassen wir das Hochganghaus. Über bewaldete Hänge geht es zunächst zur Leiteralm und weiter über den Hans-Frieden-Felsenweg zur Seilbahnstation Hochmuth. Dort unter der Mutspitze (2.294 m) verlassen wir den Meraner Höhenweg und endgültig die Ötztaler Alpen. Meran liegt zu unseren Füßen. Die Bahn bringt uns hinab nach Dorf Tirol. Über den Tappeinerweg erreichen wir das Zentrum von Meran (325 m). Eine Stadt mit großer und mediterraner Ausstrahlung. In Meran ist ein zweistündiger Aufenthalt zur freien Verfügung vorgesehen. Die Zeit muss sein!
Mit der Seilbahn geht es hinauf in die alpine Bergarena Meran 2.000. Auf leichtem Weg erreichen wir nach kurzer Zeit die Meraner Hütte (1.960 m).
Die Schlussetappe nach Bozen ist leicht, aber mit 27 km lang. Dennoch hervorragend geeignet zum Auslaufen der Tourenwoche. Der E5 führt hier über einen südlichen Ausläufer der Sarntaler Alpen. Über den Tschögglberg, ein Bergrücken, der das Etschtal vom Sarntal trennt, steigen wir von der Meraner Hütte auf zum höchsten Punkt des Schlusstages, dem Kreuzjoch (2.084 m). Hier wünscht man sich gutes Wetter. Der Aussichtspunkt am Kreuzjoch lässt einen 360 Grad Rundumblick über das Südtiroler Land zu, die Dolomiten scheinen zum Greifen nahe. Jetzt geht es unablässig moderat bergab. Sehenswert die Stoanerne Mandlen. Hunderte von Steinmännern sind um eine Bergkuppe (2.004 m) herum aufgebaut. Ein riesiges Weidegebiet breitet sich vor uns aus. Am Möltner Kaser und an der Kirche von Langfenn vorbei erreichen wir zur Mittagszeit den Saltner Sagenweg, ein Promenadenweg durch ein sehenswertes Lärchenwaldweidegebiet, auf dem der E5 am Ende hinunter nach Jenesien und nach Bozen (265 m) führt. Wir haben das Ende des E5 Nordteils erreicht. Zeit für einen halbtägigen Aufenthalt in der Metropole und Hauptstadt Südtirols muss auch hier sein.
Text: Manfred Neuber, Fotos: Ralph Demuth und Michael Gutmann