E5 Teil IV Carbonare – Verona

In Carbonare, einem hübschen Gebirgsdorf im Trentino, steigen wir in den E5 Teil IV ein. Die Zeitdauer der Reise lässt keine Wanderung am Anreisetag mehr zu. Im schönen familiären Hotel Trentino sind wir jetzt schon seit Jahren gern gesehene Gäste.

Die erste Etappe, noch auf der Hochebene von Lavarone, ist angesichts der folgenden Kondition forderndenTagesprogramme gewollt leicht und kurz gewählt. Es geht meist ständig moderat aufwärts: ca.11 km und etwa 700 Hm. Die Hochebene von Lavarone war einst für die Österreicher von großer militärstrategischer Bedeutung. Sieben Forts bildeten neben anderen Einrichtungen eine Verteidigungslinie über den gesamten Höhenzug. Das Ex forte Cherle (1450 m) und die Überreste eines ehemals österreichischen Lazaretts liegen direkt an unserem Wege. Oben vom Ex forte Cherle genießen wir eine prächtige Aussicht über das Val d` Astico und die gesamte Hochebene von Lavarone. Weiter geht es moderat aufwärts. Am frühen Nachmittag ist das Etappenziel Albergo Passo Coe (1610 m) erreicht.

Auf den kommenden 5 Etappen bis Verona wird unsere Kondition einer anspruchsvollen Prüfung unterzogen.

Eine anstrengende, aber abwechslungsreiche, interessante Tour erwartet uns am nächsten Tag. Ausgesprochen alpin! Moderat beginnt die zweite Etappe. In einer guten Stunde ist der Monte Maggio (1853 m), ein gern bestiegener Ausflugsgipfel, erreicht. Vom Gipfelkreuz bietet sich ein herrlicher Rundumblick. Danach wird es einsamer. Auf aussichtsreichem Höhenweg („Sentiero della Pace“- Friedensweg), der den Einstieg in den gewaltigen Bergstock des Monte Pasubio markiert, führt der E5 am Monte Borcoletta (1750 m) vorbei, weiter. Allerdings erst einmal auf steilem Pfad bergab bis zum Passo della Borcola (1249 m). Die dort gelegene Alm (ital. Malga) Borcola bietet sich schon frühzeitig zur Mittagspause an. Weitere Einkehralternativen gibt es bis zum Tagesziel nicht.

Nach der Mittagspause geht es auf steilem Pfad etwa 700 Hm hinauf, an der verfallenen Malga Costa vorbei, bis zu einer Scharte (1950 m). Von hier verläuft der Weg in ständigem Auf und Ab, aber auf der Höhe bleibend, bis zur Selletta Monte Buso (1995 m). Auf leichtem Pfad erreichen wir nun unser Tagesziel, das Rifugio Lancia (1825 m), eine Berghütte des italienischen Alpenvereins.

Die dritte Etappe steht dem alpinen Anspruch der vorherigen in keiner Weise nach. Sie ist eine der interessantesten auf dem E5. Zunächst geht es auf schönem Panoramaweg am Westhang des Roite (2144 m) hinauf auf den mächtigen Hauptkamm des Pasubio Gebirges. Das Pasubio Gebirge, durchzogen von Kriegsstellungen, Kavernen, Kommandozentralen, Stollen und Militärstraßen, ist ein Mahnmal für den Wahnsinn des Krieges. Bis zu 38.000 Menschen sollen in diesem Hauptkampfgebiet des 1. Weltkrieges den Tod gefunden haben. Bewusst wurde der E5 durch das Kampfgebiet von Österreichern und Italienern geführt und mit der Bezeichnung „Friedensweg“ der völkerverbindende Gedanke herausgestellt. Über den Berg der Österreicher („Dente Austriaco“ 2203 m) und den der Italiener („Dente Italiano“ 2220 m) führt unser Weg hinab zum Rifugio Papa (1929 m). Ab hier verläuft der E5 über die „Straße der Helden“ („Strada degli Eroi“) und weiter über einen Steig weit hinunter auf den Fugazze Pass (1162 m).

Noch einmal geht es jetzt ca. 500 Hm bis zum Tagesziel aufwärts. Die Kulisse dabei bieten die Kleinen Dolomiten (Piccole Dolomiti) mit ihrem Paradeberg dem Monte Cornetto (1899 m). Auf dem Sattel der „Selletta Nord-Ovest“ (1585 m) sind wir erst mal wieder auf der Höhe. Nach einer weiteren guten Stunde erreichen wir teilweise über Almweiden und unterhalb der imposanten Sengio-Alto-Kette vorbei, quasi der Trennlinie zwischen dem Trentino und Venetien, unser Etappenziel, das Rifugio Campogrosso (1456 m). Wieder liegt ein anstrengender Tag hinter uns.

Bei der vierten Etappe stehen wir gleich zu Beginn vor der Nordwand des letzten Felsengebirges vor Verona. Die Carega Gruppe, sie scheint schier unüberwindbar. Aber es geht. Durch eine Rinne mit ansprechendem alpinem Niveau geht es über Geröll, Felsstufen und Serpentinen in die Höhe. An einer Einsattelung der Cima Mosca und des Monte Obante hat die Natur mit der Bocchetta dei Fondi (2084 m) ein kleines Schlupfloch gelassen. Wir sind auf der Höhe der Felsenburg des Carega Gebirges angekommen. Wer sehr guter Kondition ist, kann auch noch den Gipfel der Cima Carega (2259 m) ersteigen. Die Höhen des Carega Gebirges erlauben ein letztes Mal den Rundumblick auf den E5 Südteil. Der Blick südwärts erfasst den Süden des Gardasees, die Vicentinische Tiefebene und bei gutem Wetter die Gold glänzenden Lagunen von Venedig.

Zur Mittagseinkehr steigen wir auf leichtem Pfad hinab zum Rifugio Scalorbi (1767 m). Auf schönem Bergsteig, an der Flanke des Valle di Revolto geht es danach gut drei Stunden bergab. Nach einer unumgänglichen 3 km langen finalen Straßenwanderung sind wir am Tagesziel Giazza (793 m) und dem Albergo Belvedere. Das Carega Gebirge ist überquert. Mit den letzten beiden Etappen über die lessinischen Gebirgsketten laufen die Alpen via Verona aus. Aber so flach die Berge hier auch scheinen mögen, der Anspruch an die Kondition bleibt weiterhin hoch.

In Giazza beginnt mit der fünften Etappe unser Weg durch die Mittleren Lessinischen Alpen. Noch einmal geht es knapp 100 Hm hinunter bis zum Illasi Flusstal und auf der anderen Flussseite etwa 700 Hm hinauf bis zur Anhöhe des Monte Potteghe (1479 m). Unser Blick geht zurück zur Carega-Gruppe und hinunter auf das breite Illasi Tal. Wir treffen auf mit groben Steinplatten begrenzte Wiesenwege. Typisch für die Lessinischen Alpen. Nach nunmehr etwa drei Stunden kommen wir zum Taleinschnitt des Vajo di Squaranto, folgen am Talboden ein Stück des Weges, bevor wir vorbei am aufgelassenen Weiler Merli (1256 m), dem Ort Merli, der Kapelle St. Anna den Ort Maregge (1264 m) erreichen. Wenn das kleine Lokal an der Straße geöffnet hat, halten wir dort unsere Mittagseinkehr.

Unser Weg führt danach weiter über die Hochebene der Mittleren Lessinischen Alpen. Vorbei an einem weiteren aufgelassenen Meiler namens Zamberlini. Vom Weg aus bald erkennbar der zentrale Ort der Region, Bosco Chiesanuova (1106 m). Leicht zu identifizieren durch den Doppelturm der Klosterkirche. Bald schon sehen wir auch den Zielort des Tages Erbezzo. Aber es dauert noch! Wir müssen ein gewaltiges Stück hinunter bis zum Bachbett des Vajo dell` Anguilla (831 m). Final geht es von dort auf steilem Steig hinauf zum Etappenziel Erbezzo (1118 m) und Albergo Berna.

Die sechste Etappe ist nicht schwierig, aber mit ca. 27 km die längste der Tour. Meist fordern die Etappenlänge, die warme Tagestemperatur und das gewählte finale Wegstück durch die Boragoschlucht nochmals stark unsere Kondition.

Zunächst steigen wir ca. zwei Stunden ab bis auf den Talboden des Vajo dell` Falconi (480 m). Nach einem kurzen Stück Straßenweg durchqueren wir ein Flussbett, das von zwei Bächen gespeist wird. Auf der rechten Seite des Ponte di Veja-Bachs steigt der dicht bewaldete Pfad an bis zum „Naturwunder“ Ponte di Veja (611 m), einer ca. 30 m hohen und 20 m breiten Felsbrücke. Weiter geht der Weg durch die Orte Giare und Schioppo (752 m), bis wir ein längeres Straßenstück rechts aufsteigend verlassen, hinauf zum letzten Berg vor Verona, dem Monte Tondo (705 m). Unser Blick erfasst immer größer werdend das Südende des Gardasees. Die Besiedlung nun immer dichter. Bald sind von der Höhe schon die Städte Vincenza, Verona und die Tiefebene via Venedig zu sehen. Nach insgesamt vier Wochen Gebirgsdurchquerung ein erhebender Anblick! Es ist schon Nachmittag, wenn wir Montecchio (496 m) erreichen. Auf dem Marktplatz vor der schönen Kirche rasten wir ein letztes Mal.

Noch zweieinhalb bis drei Stunden bis Avesa/Verona! Zwei Wegalternativen bietet der E5 von hier an. Bei Regenwetter oder Sturm wählen wir den Normalweg. Bei gutem Wetter, den durch die enge, dunkle „grüne Hölle“ der Boragoschlucht, einem unter Naturschutz stehenden Urwald- und Regenwaldgebiet. Ein letztes Mal auf unserem langen Weg wird unsere Kondition und Aufmerksamkeit grenzwertig gefordert. Das Ende der Boragoschlucht zeichnet quasi das Ausgangstor aus den Alpen. Durch Obstplantagen und Olivenhaine führt uns der E5 in ca. 30 min nach Avesa (97 m), einem Vorort von Verona. In Avesa endet offiziell die Alpenüberquerung des E5! Wir sind am Ziel. Ca. 530 km liegen hinter uns, ca. 25.000 Hm im Auf- und etwa 29.000 Hm im Abstieg. Großen Respekt jedem Finisher! Nach Verona fahren wir mit dem Bus (ca. 30 min). Die geschichtsträchtige, überaus sehenswerte und schöne Stadt an der Etsch ist immer, verbunden mit einer Stadtführung und dem Besuch der Opera in der Arena von Verona, einen zweiten Aufenthaltstag wert. Ein langer Weg hat sein Ziel erreicht. Grund zum Stolz und zur Zufriedenheit.

Text: Manfred Neuber, Fotos: Heribert Jäger