Seit 10 Jahren ist die DAV Sektion Mainz nun Eigentümer der Kaunergrathütte in den Ötztaler Alpen. Holprig und schwer waren die Anfangsjahre. Die Generalsanierung, beginnend mit dem Mauerwerk und der Dacherneuerung, ließ sich in luftiger Höhe nicht problemlos bewältigen. Lobenswert in dieser Bauphase die vielen fleißigen Mainzer Sektionshelfer, die mit ihrer Arbeitskraft fern der Heimat bei teils winterlichen Verhältnissen und grimmigen Temperaturen zum sehenswerten Erfolg dieses Bauabschnittes beigetragen haben. Ihre Namen hier alle zu nennen würde den Rahmen dieses Rückblickes sprengen. Sie haben es gerne getan und sind nicht vergessen. Genannt seien nur diejenigen, die inzwischen verstorben sind. So Dr. Hermann Requadt, der damalige Hüttenwart, Manfred Eisenbach, Wilfried Baumgärtner und Heinrich Veith.
Die Energieversorgung der Kaunergrathütte mit umweltfreundlichen Stromquellen wie ein mit Rapsöl betriebenes Blockheizkraftwerk und einer Photovoltaikanlage mit Wechselrichter und Speicherbatteriesatz wurde zunächst zu einem kostspieligen Desaster. Mit der der Ausstattung und Installierung betrauten Salzburger Firma waren wir gemeinsam mit dem Hauptverein nicht gut beraten. Die Anlage war nach nicht einmal vier Bergsommern verbraucht und musste gegen eine neue ausgetauscht werden. Die neue funktioniert bisher schon fünf Bergsommer einwandfrei.
Die Anlagen zur Wasserversorgung und Abwasserreinigung wurden von der Vorgängersektion, der Akademischen Sektion Graz, intakt übernommen. Sie funktionieren nach wie vor zufriedenstellend. Lediglich das von Anfang an vorhandene Geruchsproblem der Toiletten im Haupthaus konnte bisher trotz intensiver Bemühungen nicht zufriedenstellend gelöst werden. Es wurde gerade in den letzten beiden besuchsstarken Bergsommern wieder offenkundig. Daran gilt es weiter zu arbeiten.
Mt der Zunahme der Übernachtungszahlen im Laufe der letzten Jahre und der Dynamik des Klimawandels stieß unsere Wasserversorgung an ihre Grenzen. Im Jahre 2007 wurde daher eine 1,3 km lange Wassernotleitung zu einem höher gelegenen natürlichen Wasserspeicher gelegt. Das Problem wurde dadurch entschärft. Für die Kompostierung der Feststoffe, vornehmlich Fäkalien, wurden in den Jahren 2006 bzw. 2007 moderne Solarkomposter angeschafft, die sehr gut funktionieren, aber mittlerweile auch schon witterungsbedingte Schäden an der Außenhaut zeigen. Hier werden schon jetzt neue Überlegungen angestellt werden müssen.
Im Jahre 2007 wurde das Nebengebäude der Kaunergrathütte sehr gefällig ausgebaut unter gleichzeitiger Verlegung des Winterraumes vom Haupt- ins Nebengebäude. Das Nebengebäude ist mit insgesamt 35 geräumigen Schlafplätzen ausgestattet und steht mit acht Schlafplätzen auch im Winter Selbstversorgern offen.
Von 2003 bis einschließlich 2010 war die Familie Jeitner aus Trenkwald im Pitztal unsere Wirtsleutefamilie auf der Kaunergrathütte. In schweren Jahren haben sie in den Sommermonaten dort oben am Kaunergrat gute Arbeit geleistet und Jahr für Jahr zusammen mit der Sektion den beschädigten Ruf der Kaunergrathütte aufpoliert. Andreas Jeitner hat mit seiner Pionierarbeit im Umfeld des Mainzer Berghauses große Verdienste an der, wie sich inzwischen zeigt, gelungenen Infrastruktur der Hütte. Dafür ist ihm die Sektion sehr dankbar und wünscht ihm und seiner Familie viel Glück und Erfolg bei der Bewirtung der Schweinfurter Hütte in den Stubaier Alpen. Die Familie Jeitner hat uns leider relativ kurz vor dem Saisonstart des Bergsommers 2011 den Pachtvertrag gekündigt.
Es war eine glückliche Fügung des Schicksals, dass bei der unter Zeitdruck geratenen Suche unter den Bewerbern die Familie Dobler aus Schusslehn im Pitztal war. Hüttenwirtin wurde die Jüngste der Familie, Julia Dobler, damals mit 22 Jahren die jüngste Hüttenwirtin Österreichs. Aber welch ein Erfahrungsumfeld im Hüttenbetrieb! Mutter Claudia stammt aus einer wahren Hüttendynastie. Vater Albert, leider vor einem Jahr verstorben, war lange Jahre Hüttenwirt der Rüsselsheimer Hütte, Bruder Florian tritt jetzt nun schon seit vielen Jahren in die Stapfen des Hüttenerbes seines Vaters. Bruder Werner ist Hüttenwirt der Hanauer Hütte und Schwester Lydia Hüttenwirtin der Ludwigsburger Hütte. Auch Vater Sigmund hat durch seinen Grossvater (Hüttenwirt der Chemnitzer Hütte - heute: Rüsselsheimer Hütte) familiären Hüttenhintergrund. Die Doblers haben das bisher in den zwei Bergsommern auf der Kaunergrathütte sensationell gut gemacht. Die Sektion Mainz ist hoch zufrieden mit der Arbeit von Julia und ihrem Team und hofft auf eine langjährige Zusammenarbeit!
Die Hüttenbesucher nehmen Notiz von den Hütten und ihren Bewirtschaftungen. Im Hüttentest (www.huettentest.de) wurde aufgrund ihrer Bewertungen ein Ranking aufgestellt. Danach belegt die Kaunergrathütte mit der Wirtsfamilie Dobler und der Gesamtnote 1,4 unter 310 bewerteten Hütten den sechsten Platz! Schaut man näher in die Bewertungskriterien, sieht man, dass die hausbezogenen Kriterien wie Trockenraum (2,0), Sanitäreinrichtungen (1,9) und Stauraum für Gepäck (1,8) die Gesamtnote etwas gedrückt haben. Sonst wäre die Kaunergrathütte noch weiter vorne. Die Bewertung des Hüttenteams mit der Note 1,0 ist nicht überbietbar. Ein großes Kompliment an die Hüttenfamilie und ihr Team! Sie sind ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Entwicklung unserer Kaunergrathütte.
Auszugsweise und beispielhaft einige Bewertungen:
Nach einigen Vorplanungen in 2010 wurde pünktlich mit Hüttenöffnung im Juni 2011 der Bau unserer Wegekapelle St. Martin an der Kaunergrathütte begonnen. Trotz einiger Wettereinbrüche konnte der Bauzeitplan eingehalten und das Bauwerk am 02.09.2011 im Rahmen des Mainzer Wochenendes auf der Kaunergrathütte mit einer Bergmesse eingeweiht werden - bei herrlichem Wetter und guter Beteiligung. Die Hüttenkultur in den Ötztaler Alpen, im Kaunergrat und im Pitztal ist wieder um einen Mosaikstein reicher. Ein herrliches Bauwerk! Den größten Anteil am Zustandekommen der Kapelle hat Peter Skoda. Akribische Planung und Durchführung waren die Grundsteine dafür, dass der Bau des hübschen kleinen Gotteshauses in nur wenigen Sommerwochen geschafft werden konnte. Herzlichen Dank an Peter Skoda, Philipp Albert, Manfred Neuber und alle fleißigen Sektionshelfer. Nicht zu vergessen ein herzliches Dankeschön an das Bauunternehmen Karl Gemünden aus Ingelheim, an die Zimmerei Thomas Christ aus Jossgrund im Spessart und an den Bergfreund und Wanderführer Hartmut Rencker für Ihre großzügige Unterstützung sowie an die zahlreichen Spender, die den Bau der Kapelle erst möglich gemacht haben.
Den Hüttenverantwortlichen der Mainzer Alpenvereinssektion war von Anfang an klar, dass das wirtschaftliche Überleben der Kaunergrathütte nur mit einem breit aufgestellten Hüttenkonzept möglich ist. Mit Tagesbesuchern allein konnte dieses Vorhaben nicht gelingen. Es mussten bergtouristische Möglichkeiten für Tagesbesucher, Bergsteiger, Alpinkletterer und Fernwanderer geschaffen bzw. verbessert werden. Dies ist durch die Schaffung kleinerer Rundtouren um die Hütte, durch Sanierung leichter und anspruchsvoller Gipfelwege, durch Aufbau des Klettergebietes Kaunergrathütte und durch die Anbindung der Hütte an Fernwanderwege, wie den Europawanderweg 5 (E5), die Pitztaler Runde, der Pitztal-Tour und der Taschach-Verpeilrunde gut gelungen. Zusätzlich wurde das Ausbildungsangebot (Kurse) auf der Hütte erfolgreich erweitert. Die vom Klimawandel immer wieder beeinträchtigte Wegerhaltung wird auch zukünftig ein Schwerpunkt in der infrastrukturellen Hüttenarbeit sein. Näheres unter www.kaunergrathuette.at.
Die Berghütte am Tiroler Kaunergrat ist im Gegensatz zu Hütten in den überlaufenen Bayerischen oder Allgäuer Alpen kein Selbstläufer. Maßgebend dafür ist zum Einen das sehr schöne, naturnahe, aber anspruchsvolle hochalpine Umfeld. Zum Anderen war die Kaunergrathütte bis zum Jahre 2000 von der damaligen Pächterin stark herabgewirtschaftet worden. Unsere Sektion hat daher nach der Übernahme der Hütte im Jahr 2003 das Berghaus erst einmal generalsaniert und parallel dazu die Wegesituation verbessert. Das allein reicht bei einer "Hütte in Extremlage" (DAV-Sprachgebrauch) nicht aus, um überlebens- und zukunftsfähig zu sein. Die wiedergeschaffene Attraktivität muss auch den Berginteressierten nahegebracht werden.
Von Anfang an ist daher eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit betrieben worden. Sie war und ist ein vorrangiges Ziel unserer alpinen Sektionsarbeit. Mit dem E5, der Via Alpina, der Taschach-/Verpeilrunde, der Pitztaltour sowie der Pitztaler Runde sind neue, die Kaunergrathütte einbeziehende Wegführungen geschaffen und medial publik gemacht worden. Mittels verschiedener Faltblätter, Flyer, Rundfunk- und TV-Filme, Vorträge und Presseartikel ist es immer stärker gelungen, die bergtouristischen Möglichkeiten auf der Kaunergrathütte in das Blickfeld der Bergfreunde zu rücken. So dass auch die führenden Bergbuchverlage (Rother, Bruckmann, Kompass etc.) aufmerksam wurden und unserer Hütte in den Wanderführern und Bergbüchern einen gebührenden Platz einräumten. Das war so etwas wie ein Durchbruch.
Unsere intensive Öffentlichkeitsarbeit trägt Früchte. Weiter so!
Wegen ihrer Extremlage auf 2817m beträgt der Öffnungszeitraum der Kaunergrathütte in aller Regel nur etwa 100 Tage pro Jahr. Aus wirtschaftlicher Sicht ein kurzer Zeitraum! Mit dem Ausbau der Hütteninfrastruktur, einhergehend mit einer permanenten Öffentlichkeitsarbeit und Bewerbung der Kaunergrathütte verband sich für die Sektion die Erwartung einer notwendigerweise verbesserten Eigenertragsfähigkeit unserer Berghütte am Kaunergrat. Nach mühsamem Start vor zehn Jahren wurde unsere mittelfristige Prognose in 2011 mit 2061 Übernachtungen erreicht und in 2012 trotz eines nur mäßigen Bergsommerwetters mit 2276 Übernachtungen sogar übertroffen. Die Kaunergrathütte ist wieder eine Adresse. Einfach, urig, gemütlich und romantisch in einmaliger hochalpiner Umgebung, eben was sich echte Bergfreunde, die den Weg zu Fuß auf 3000m Höhe und darüberhinaus nicht scheuen, unter einer Berghütte nahezu auf dem Dach eines Gebirgszuges vorstellen. Diese Atmosphäre zu erhalten muss unsere vorrangige Aufgabe in der Weiterentwicklung der Kaunergrathütte sein.
Eine Berghütte in 2817m Höhe muss infrastrukturell auf mehreren Beinen stehen. Für Bergwanderer, Bergsteiger und Felskletterer muss sie Angebote parat haben, so auch das Erlernen der erforderlichen Fähigkeiten am Berg. Zumal gerade unsere Kaunergrathütte ursprünglich einmal eine fast reine Ausbildungshütte war. Sie war die Schule vieler älterer noch heute tätiger Bergführer. Und es zieht sie immer mal wieder hinauf zu unserer Schutzhütte am Kaunergrat.
Im Jahr 2006 hat die Sektion mit einem Kursangebot getestet, ob Ausbildung auf unserer Hütte noch gefragt ist. Das Ergebnis war sehr positiv. In den Folgejahren sind die Teilnehmerzahlen ständig gestiegen. In 2011 erreichten sie eine noch nie dagewesene Spitze. Die Ausbildung selbst wird von erfahrenen, staatlich geprüften Tiroler Bergführern durchgeführt. Das Hochtouren- und Kletterübungsgebiet um die Kaunergrathütte bietet dabei die besten Voraussetzungen für einen guten Kurserfolg. Großen Anteil am Bereiten des Trainingsgebietes hat unser ehemaliger Hüttenwirt Andreas Jeitner.
Neben unseren Kursen führen auch der Summit-Club des DAV und andere alpine Vereinigungen Ausbildungskurse auf der Kaunergrathütte durch. Die Ausbildung ist ein wichtiger Faktor des wirtschaftlichen Erfolges auf der Kaunergrathütte.
Auch in diesem Jahr findet wieder ein "Mainzer Wochenende" auf der Kaunergrathütte statt. Traditionsgemäß am ersten Septemberwochenende, dieses Jahr vom 30.08. bis 01.09.2013. 110 Jahre Kaunergrathütte und 10 Jahre Mainzer Besitz sollten ein guter Grund zum Feiern sein. Die Kaunergrathütte steht an diesem Wochenende nahe des Endes der Sommerbergsaison 2013 vor allem den Mainzer Bergfreunden zur Verfügung. Wie immer rundet eine Bergmesse am Samstag nachmittag die gemeinsamen Tage bei fröhlichem Zusammensein und Erfahrungsaustausch ab. Dazu gibt es ein geführtes Wanderangebot im Bereich Kaunergrathütte sowie die Möglichkeit des beaufsichtigten Kletterns im unmittelbar an der Hütte gelegenen Klettergarten. Und Könnern steht für eine Tour zur Watze- oder Verpeilspitze sowie auf die Gipfel der Parstleswand außer den Wetterbedingungen nichts entgegen. Die Kletterausrüstung kann komplett auf der Kaunergrathütte ausgeliehen werden; Interessierte müssen sie nicht auf die Hütte schleppen. Die Sektion Mainz hofft auf rege Teilnahme. Willkommen sind alle Mainzer Bergfreunde, nicht nur Sektionsmitglieder.
Die Kaunergrathütte wird in diesem Jahr 110 Jahre alt. Seit zehn Jahren wird sie von der DAV Sektion Mainz betreut. Ein doppeltes Jubiläum und Grund zum Feiern. Aber der Blick muss auch auf die Zukunft gerichtet sein. Nach 110 Jahren nagt die Zeit an manchen Stellen der Bausubstanz. An der Terrassenseite leidet am älteren Gebäudeteil das Außenmauerwerk offensichtlich unter dem Druck der Dachlast. Eine Sanierung wird notwendig. Sie ist nicht aufschiebbar. Sie sollte bis Anfang Oktober 2013 abgeschlossen sein. Zur Abwicklung der Sanierungsmaßnahme hat die Sektion unter der Leitung von Peter Hirsch eine Projektgruppe eingerichtet, die schon Ende des letzten Jahres ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Vorbereitung der Sanierung des Teilgebäudes geschieht unter fachlicher Beratung von Geologen, Statikern und Baufachleuten.
Manfred Neuber