Mondlandschaft, saftige Wiesen, Märchenwald und italienisches Stadtflair: Die Tour, die von der Sektion Mainz als zweiter Teil des Fernwanderwegs E5 angeboten wird, erstreckt sich vom Pitztal bis Bozen und bietet von hochalpinem Gelände in Österreich bis zu lieblicher Südtiroler Landschaft jede Menge Abwechslung.
Wer sich Bergsteiger nennen will, sollte einmal im Leben die Alpen überquert haben. Genau das war das Ziel der 18 Teilnehmer und der zwei Bergführer Edgar Dattge und Martin Schultz-Kukula. Die Sektion Mainz teilt den Fernwanderweg E5 in insgesamt vier Etappen. Einige der Mitstreiter hatten am ersten Teil von Oberstdorf bis zur Kaunergrathütte im Pitztal bereits im Vorjahr teilgenommen. Ende Juli machte sich eine bunt gemischte Truppe von Tieflehn aus auf den Weg, von Österreich über den Alpenkamm auf die italienische Seite des Hochgebirges zu gelangen.
Los ging’s zwar nicht bei bestem Wetter (eine kleine Teilgruppe machte bei Regen noch einen Abstecher zur Kaunergrathütte), aber mit einer schönen Strecke zum Einlaufen. Vorbei an kleinen Wasserfällen, über Brücken mit Blick auf einen rauschenden Gebirgsfluss und mit der Gelegenheit, einen Alpensalamander am Wegesrand aus nächster Nähe zu betrachten. Langsam aber stetig wandelte sich die Landschaft beim Anstieg vom grünen österreichischen Ferienidyll zu karger Felswüste. Dafür gab es immer wieder umwerfende Gletscherblicke und Schneefelder unter den Füßen. Eine heiße Suppe bei der Mittagspause auf der Braunschweiger Hütte wärmte die mittlerweile frierenden Finger und brachte die Teilnehmer gut gestärkt bis Vent im Ötztal.
Nach einer Übernachtung in einem gemütlichen Gasthof folgte ein langer, stetiger Aufstieg durch den rechten Ausläufer des Ötztals hoch auf 2.842 Meter zur Hütte Bella Vista – Italien war erreicht! Der Name der Unterkunft versprach nicht zu viel: Nachdem dichte Nebelschwaden die meiste Zeit des Weges den Ausblick auf die Berge versperrt hatten, riss die Wolkendecke auf und die Mitstreiter konnten eine buchstäblich schöne Aussicht auf die vor ihnen liegenden Berge genießen. Vor dem Abendessen ging’s dann in die Sauna, um die müden Beine zu erholen. Ein bisschen Wellness auf ca. 2.800 hm darf sich schließlich auch ein hartgesottener Wanderer gönnen.
Vor der Hütte wartete am nächsten Tag ein ganz besonderer Morgengruß auf die Bergsteiger: Eine Gruppe Steinböcke lag nur ein kleines Stück vom Weg entfernt auf den Felsen und ließ sich ganz entspannt bestaunen und fotografieren. So nah hatte noch keiner der Teilnehmer diese Spezies der Big Five der Alpen in freier Natur betrachten können.
Der Abstieg ins Oberbergtal brachte das Grün für die Wanderer zurück. Außerdem gab es ab jetzt Sonne pur. Eine kurze Busfahrt ersetzte das mühsame Gehen auf Asphalt und ermöglichte einen traumhaften Blick auf den Vernagter See. In dem kleinen Ort Kartaus ging es dann wieder zu Fuß weiter. Ein kurzer, steiler Anstieg nach Katharinaberg führte anschließend auf den Meraner Höhenweg und damit zurück auf den E5. Auf etwa 1.500 Metern Höhe verläuft der Höhenweg in stetigem Auf und Ab an der Texelgruppe entlang und bot den Bergsteigern mit zahlreichen Waldpassagen Schutz vor der Hitze. Aber auch Wassersprenger am Weg sorgten für eine willkommene Abkühlung.
Nach einer Übernachtung auf dem rustikalen Pirchhof wartete die 1000-Stufen-Schlucht auf die Wandergruppe. Diese führt steil bergab über eine neu gebaute Hängebrücke und direkt vorbei an einem beeindruckenden Wasserfall – manch einer fühlte sich auf dem Weg fast wie im Märchen. Auf dem Hochganghaus gab es für die Gruppe schließlich das erste Mal Massenlager-Feeling, dafür aber auch einen tollen Ausblick auf die Dolomiten in der Abendsonne. Eine kurze Etappe später bis zur Seilbahn Hochmuth ging es in der Gondel anschließend hinab ins Dorf Tirol. Eine große Portion bestes italienisches Eis läutete endgültig das Dolce Vita ein. Die nächste ausgedehnte Pause folgte in der Meraner Altstadt. Genügend Zeit, um wieder ein bisschen Zivilisation zu schnuppern und sich mit einer Tasse Kaffee fit für die nächste Etappe zu machen. Eine weitere Seilbahnfahrt brachte die Gruppe erneut auf E5-Kurs. Auf der Meraner Hütte in 1.960 Metern Höhe war die Hitze im Tal schnell vergessen.
Die letzte Strecke bis nach Bozen war zwar lang, aber ohne starke Steigungen und ideal dafür, das Wandern und den Blick auf die Alpen noch einmal voll und ganz zu genießen. Vorbei an Stoanernen Mandlen, grasenden Haflingern und mit immer klarerem Blick auf die markante Dolomitenformation lief die Gruppe schließlich, froh und stolz auf ihre Leistung, beim Gasthof „Schwarze Katz“ in Bozen ein. Dort stießen die Teilnehmer auf die schöne Woche, ihre tollen Bergführer und den Organisator Manfred Neuber an. Den letzten Vormittag nutzten die Teilnehmer, um ein bisschen italienischen Chic zu shoppen oder Südtiroler Speck, Käse und Schüttelbrot für Freunde und Familie einzukaufen. Und auch wenn diese Mitbringsel nach der Heimreise sicher schnell verzehrt waren, die Erinnerung an die intensiven Tage auf dem E5 bleiben sicher allen noch lange im Gedächtnis.
Text: Carola Mensch