Endlich ging unsere lang ersehnte Tour auf dem Europawanderweg E5, Teil III los! Die Anfahrt mit der Bahn über München und den Brennerpass nach Bozen klappte problemlos. Aus der Hitze des Etschtals ist ein angenehmer Sommertag geworden, als wir auf ca. 1.300 hm mit der Seilbahn katapultiert wurden. Die fünf Kilometer bis zum Gasthof Schneiderwiesen waren genau das Richtige nach acht Stunden im Zug.
Die nächsten drei Tage liefen wir durch schöne Wälder mit beeindruckenden Ansichten insbesondere ins Etschtal hinein. Wir waren insgesamt 10 Teilnehmer – eine optimale Anzahl. Die Übernachtungen waren besonders schön. Am Ende des 2. Tages waren wir die einzigen Gäste im Thomaserhof. Wir hatten das Gefühl, beim Abendessen im Speiseraum in einem anderen Zeitalter zu sein, denn der Raum hätte sicherlich vor 100 Jahren nicht anders ausgesehen!
Im Fichtenhof gab es nicht nur eine fantastische Aussicht am 3. Abend, sondern auch eine kleine Sauna draußen auf der Wiese neben dem Gasthof. Es hat einen Riesenspaß gemacht, ein Feuer im Holzofen zu machen. Als es sich herumgesprochen hat, dass wir in der Tat die Sauna angefeuert hatten, ist fast die ganze Gruppe in die Sauna gekommen.
Der 4. Tag bescherte uns eine Mordshitze (über 30°C) in den Nachmittagsstunden. Der letzte Anstieg bis zum Piramidi-Hotel war extrem steil und als wir endlich im Hotel angekommen waren, haben wir erfahren, dass das Hotel überbucht war und sechs von uns in einer anderen Unterkunft wohnen mussten. Der große Vorteil dabei: auf dem Hin- und Rückweg zum Ersatzhotel konnten wir die „Pyramiden von Segonzano“ bewundern, etwa 20 Meter hohe, mit einem Stein bedeckte Säulen, die durch Erosion entstanden sind.
Der beeindruckendste, obwohl kürzeste Tag, war der nächste: Sieben von uns sind mit einem Taxi zur Magla Alm auf 1.800 hm gefahren. Drei sind vom Hotel gestartet und zusätzlich ca. 10 km sowie 1.000 hm gewandert. Zuerst ging es durch einen einsamen Pinienwald bis zur Baumgrenze. Hier waren wir nicht auf der Standardroute des E5, sondern auf der alpinen Variante, wo wir keinen anderen Wanderern begegnet sind. Oberhalb der Baumgrenze sind wir zunächst über riesige Felsbrocken gelaufen. Unsere Stöcke waren nutzlos, denn sie haben sich immer wieder in den Spalten zwischen den Steinen eingekeilt. Als wir noch höher zur Scharte gestiegen sind, hatten wir nicht nur nahezu eine Rundumsicht, sondern auch einen sehr starken Wind. Für den Rest des Tages war der Weg ein ständiges Auf und Ab, mal auf dem Grat und mal ein bisschen unterhalb. Nur wie durch ein Wunder sind trotz des stark pustenden Windes unsere Schirmkappen nicht verloren gegangen. Wir sind an Schützengräben des Ersten Weltkriegs vorbeigezogen, das Leben der Soldaten in dieser Höhe muss höllisch gewesen sein.
Nach dem letzten Pass des Tages haben wir uns gefragt, wo eigentlich die Rifugio ist... Wir sind weiter abgestiegen, erreichten wieder die Baumgrenze und plötzlich sahen wir das Gebäude der Rifugio, perfekt und unauffällig eingebettet in die schöne Landschaft. Nach einer warmen Dusche – in einer einzigartigen Kabine auch mit Hocktoilette – und einem kalten Getränk draußen am Biertisch waren alle bester Stimmung.
Wir trennten uns am nächsten Tag noch einmal: Sieben Teilnehmer*innen sind weiter auf dem Grat und dann bergab nach Vetrilo Therme gelaufen. Drei von uns haben die „Schlechtwetterroute“ genommen, die mit knapp 30 km wesentlich länger ist und ganz unterhalb der Baumgrenze verläuft. Ein Vorteil dieser Route: Wir konnten mittags bei einer Alm mit eigener Käserei anhalten. Wir haben so viel Käse zum Mittagessen bekommen, dass er noch am nächsten Tag für die Pausenverpflegung der gesamten Gruppe gereicht hat! Als wir nach diesem langen Tag im Hotel Aurora Compet angekommen sind, waren die restlichen Teilnehmer*innen bereits beim Saunieren – dieses Mal höchst modern mit Panoramablick und ohne Holzkamin.
Am letzten Wandertag sind wir mit dem Bus ins Tal gefahren, wo wir zum ersten Mal seit Bozen wieder über 30°C hatten. Wir sind vom Bahnhof über Obstwiesen zur anderen Seite des Tales gewandert und stiegen in einer Art Schlucht auf. In der nächsten Stunde haben wir während des 1.000-Höhenmeter-Aufstiegs häufig Gebrauch vom kühlen Bach neben dem Weg gemacht: trinken, Wasser über den Kopf schütten, Füße reintauchen und das Ganze wieder von vorne. Den Rest des Tages bis zum Wochenziel Carbonare sind wir durch schöne Wälder bei angenehmen Temperaturen gelaufen. Für die letzten Kilometer ließen wir uns von leckerem Cappuccino und Eis in einem Eiscafé voller Einheimischen beflügeln. Es war eine schöne Zeit und wir freuen uns auf die nächste gemeinsame Tour!
Text: Michael Aven