Vom 6. bis 10. Juni waren wir zur „Orchideenblüte im Wilden Kaiser“. Der eine oder die andere hatte sich durch die „Orchideen“ etwas blenden lassen und ein eher gemütliches Genussschlendern mit etwas Florakunde erwartet. Aber der Wilde Kaiser ist, wie sein Name schon sagt, halt nun mal etwas wild und was noch schwerer wiegt: unser Wanderleiter Martin ist zwar ein durchaus profunder Pflanzenkenner, aber eben auch ein strammer Wandersmann.
Wir reisen also mit der Bahn an, laufen durch Kufstein und steigen dann über etliche Treppen ins Kaisertal ein. Vorbei an einigen schönen Gasthöfen, laufen wir zwischen Wildem und Zahmem Kaiser bis zum Ende des Kaisertals. Das großartige Hans-Berger-Haus mit seiner Wirtin Sylvia wird uns für die nächsten vier Nächte beherbergen. Wir beziehen die Zimmer, genießen ein sehr leckeres Abendessen und das Beisammensein und fallen in den ersten wohlverdienten Schlummer.
Da es Anfang Juni und die Gesamtwetterlage schwül-gewittrig ist, starten wir am nächsten Morgen (und den folgenden auch) gegen 7:45 Uhr. Früher wäre zwar besser, aber die ansonsten wirklich großartige Sylvia weigert sich, vor 7 Uhr Frühstück zu machen. Für die Statistiker unter uns: Wir werden die nächsten Tage immer +/- 1.000 Höhenmeter rauf- und runtergehen und um die neun Stunden inklusive etwa 1,5 h Pause unterwegs sein.
Unser erstes Ziel ist die Steinerne Rinne. Wir steigen also „hinter“ unserer Unterkunft zum Stripsenjochhaus hoch, das den Übergang zwischen Wildem und Zahmem Kaiser markiert, um dahinter wieder runter- und dann zur Steinernen Rinne hochzusteigen. Das letzte Stück des Weges führt an langen Seilversicherungen in ziemlich steil abfallendem Felsgelände entlang. Am Ende werden wir mit einem phantastischen Ausblick in bizarres Gelände belohnt, der Blick in das große U zwischen Predigtstuhl und Fleischbank. Pause, genießen – dann geht’s zurück. Und da es, wie eingangs erwähnt, schwül-gewittrig ist, bekommen wir gleich mal den ersten (aber zugegebenermaßen harmlosen) Hagelschauer ab. Im Stripsenjochhaus können wir uns davon erholen. Zurück zum Hans-Berger-Haus nehmen wir einen kleinen Umweg, damit wir möglichst wenig dieselben Wege laufen.
Der „kleine Umweg“ hat‘s dann ordentlich in sich: hier ist zwar nur eine vergleichsweise kurze Seilversicherung zu bewältigen, aber inzwischen ist alles patschnass und der Fels bietet wenig Halt. Kaum ist das geschafft, wartet eine leicht überhängende Leiter… Mit Ruhe und auch ein wenig Zuspruch klappt das alles aber erstaunlich schnell und gut. Der Himmel feiert unseren Geländeerfolg mit einem weiteren kleinen Hagelschauer, aber egal. Leicht berauscht vom glücklichen Meistern der Herausforderungen kann uns so ein Schauer jetzt nicht mehr aus der Ruhe bringen!
Zweiter Tag: Heute gehen wir im Bereich des Wilden Kaisers über den Bettlersteig zum Brentenjoch und weiter zum Gamskogel. Der Weg ist wunderschön und es verläuft zunächst mal alles nach Plan. Nachdem wir das größte Stück bergauf zurückgelegt haben, machen wir erst einmal Rast auf einem Hochplateau, auf dem sich weiter südwestlich auch die Kaindlhütte befindet, in die wir später noch einkehren möchten. Aber vorher wollen wir noch vom Brentenjoch zum Gamskogel; wegen der Aussicht idealerweise am Grat entlang – unser Wanderleiter ist schließlich ausgebildet in „Gehen in weglosem Gelände“. Wir verlassen also den Wanderweg und marschieren Richtung Grat. Was so verheißungsvoll anfängt, funktioniert dann leider doch nicht: hartnäckiger Bewuchs des Grats verhindert jegliche Aussicht und wir nehmen doch wieder die ausgewiesene Wanderroute. Wir erreichen also einigermaßen gemütlich den Gamskogel und am Gipfelkreuz liegt uns – siehe da – das Kaisertal in seiner ganzen Pracht zu Füßen, eingerahmt vom Zahmen Kaiser gegenüber.
Aber auch die schönsten Plätze muss man wieder verlassen und zur Kaindlhütte wollen wir ja auch noch. Weiter geht’s. Und dann, an einer harmlosen, aber leicht rutschigen Stelle, zieht es einem aus unserer Truppe die Füße weg. Blut fließt und zwar ordentlich, und wir sind alle ziemlich erschrocken. Martin fasst sich schnell und leistet sofort Erste Hilfe. Unser Patient steht wieder auf seinen Beinen und wir haben Glück im Unglück: Wir befinden uns nicht weit vom Sessellift nach Kufstein. Da am Kaiser schon wieder fette Gewitterwolken hängen, beschließen wir, gemeinsam nach Kufstein abzufahren. Mit Martins Begleitung geht es für den Patienten ins Kufsteiner Krankenhaus. Alle anderen gehen mit Edgar über den „Normalweg“ zurück zur Hütte. Abends gegen 21 Uhr sind wir alle wieder glücklich vereint.
Tag drei widmen wir dem Zahmen Kaiser. Wir steigen zunächst unweit unserer Unterkunft steil auf Richtung Pyramidenspitze, um dann auf einem sehr schönen Höhenweg zur Vorderkaiserfeldenhütte zu laufen, die von Kufstein aus gesehen zu Beginn des Zahmen Kaisers liegt. Nach unserer wohlverdienten Pause machen wir uns auf den Rückweg. Anvisiert haben wir einen Weg, der den Zahmen Kaiser unterhalb des Höhenweges, den wir gekommen sind, quert. Der ist dann aber wegen Baumfällarbeiten gesperrt. Also wieder den gleichen Weg zurück, was aber nicht weiter tragisch ist. Schöne Wege kann man durchaus auch zweimal gehen, zumal wir am Ende des Weges nun wieder an einer Gumpe vorbeikommen, die uns morgens schon angelacht hatte. Hier landet also nach einem schönen Wandertag bei bestem Wetter ein Teil der Truppe im (richtig) kühlen Nass. Herrlich!
Ach ja, Orchideentour! Orchideen gab es jede Menge in allen Varianten. Sie verfolgten uns auf Schritt und Tritt, mal mehr, mal weniger spektakulär. Dem aufmerksamen Auge unseres Wanderleiters Martin sind sie jedenfalls nie entgangen. Der machte immer wieder gerne kleine Pausen, schärfte uns den Blick fürs Detail und ließ uns an seinem reichhaltigen Wissen teilhaben. Rotes Waldvöglein, Zweiblatt-Orchidee, Waldhyazinthe, das bei näherem Hinsehen wunderschöne Knabenkraut und natürlich den Frauenschuh erkenne ich nun zuverlässig, neben vielen weiteren interessanten Blumen, Pflanzen und Insekten. Und dies alles eingebettet in sehr schöne Wandertage in extrem netter Gesellschaft!
Text: Doris Gensler