Hoher Dachstein – Überschreitung und mehr …

Die Idee zur Überschreitung des Dachsteins reifte schon im August 2007: Damals, während meiner Tourenwoche im Dachsteingebiet, bestiegen wir den Fast-Dreitausender über den Großen Gosaugletscher und den Westgrat. Der am Gipfel spontan aufkeimende Wunsch nach einer Überschreitung musste aber wegen anderer Tourenplanungen auf später verschoben werden …

Realität wurde diese Bergfahrt nun im August 2018. Bereits während der Weihnachtsfeier 2017 fand ich einige Interessenten für das Vorhaben und so konnten die Planungen starten. Basislager war das „Berghotel Türlwandhütte“, eine empfehlenswerte Adresse direkt neben der Dachstein-Seilbahn auf ca. 1.700 m. Eine frühzeitige Reservierung für evtl. Nutzung der Seilbahn (kostenfrei möglich ab Anfang Mai) ist ratsam. Tickets dafür gibt‘s gratis bei Übernachtung im Hotel.

Das Tourenprogramm umfasste die Überschreitung des Hohen Dachsteins von Osten über die Ostschulter mit Abstieg über den Westgrat und die Steinerscharte (freitags) sowie den Koppenkarklettersteig (alternativ Ramsauer Klettersteig) am Samstag. Thomas und Stefan reisten bereits mittwochs an, um am nächsten Tag die Klettersteige „Anna“ und „Johann“ (beide bis Schwierigkeitsgrad E) zu begehen. Der Erfahrungsbericht war ernüchternd: extrem schwieriges „Gerampfe am senkrechten Seil, massenhaft Leute im Steig, null Naturerlebnis“. Somit wurde auf die Begehung des „Johann“ verzichtet.

Peter und ich trafen am Donnerstag bei der Türlwandhütte ein. Der Abend wurde für Übungen/Auffrischungen zur Spaltenbergung genutzt, da am nächsten Tag u. a. zwei Gletscher auf uns warteten. Start war Freitag 7:45 Uhr mit der Seilbahn zum Hunerkogl. Von dort ging es auf für Turnschuhtouristen mittels Planierraupen präparierter Piste über den Hallstädter Gletscher (bzw. was von dem noch übrig ist) zum Einstieg am Ostgrat. Hier beginnt mit einem gezielten Schritt über die Randkluft auf den Felsen der Klettersteig (B/C). Früher waren die ersten 20 Meter ohne Seilversicherung (Kletterei im 2. Grad), um Ungeübte abzuhalten. Diese Bedenken hat man jedoch inzwischen aufgegeben. Der Steig ist, bis auf einige Strecken Gehgelände, durchgängig gut gesichert. Nach Bewältigung der Schulter kraxelt man zum sogenannten Mecklenburgband, eine ca. 1 m breite Traverse zur Gipfelschlucht, die man, auf der rechten Seite gut gesichert, über Felsstufen bis zum Kreuz ersteigt. Vom Einstieg bis zum Gipfel benötigten wir knapp 1,5 Stunden.

Nach der Gipfelpause ging es in etwas leichterem Gelände über den Westgrat in die Obere Windluck`n – eine Scharte zwischen dem Hohen Dachstein und dem Mitterspitz – und weiter ab zum Rand des Großen Gosaugletschers (der sein Adjektiv eigentlich auch nicht mehr verdient). Hier seilten wir uns vorschriftsmäßig an, denn das apere Gelände wartete dennoch mit tückischen, teils verschütteten, vage erkennbaren Spalten auf. Über die drahtseilversicherte Steinerscharte gelangten wir wieder auf den Hallstädter Gletscher, den wir wegen der in diesem Bereich ebenfalls bestehenden Spaltengefahr in Seilschaft durchquerten, vorbei am Niederen Dachstein und schließlich auf der – mittlerweile durch die Sonneneinwirkung aufgeweichten – präparierten „Turnschuhpiste“ bis zur Seilbahnstation am Hunerkogl.

Nach 7,5 Std. ließen wir bei einem frischen „Weizen“ die herrliche, abwechslungsreiche und landschaftlich großartige Bergfahrt nochmals Revue passieren, bevor wir mit der Gondel wieder talwärts reisten.

Für den nächsten Tag hatten wir uns den Ramsauer Klettersteig (B/C) vorgenommen. Der Zustieg erfolgte auf dem schönen, aber mühsamen Weg Jungfrauensteig durch das wilde Edelgrießkar. Thomas und Stefan stiegen auf bis zum Sattel am Einstieg des Klettersteigs, verzichteten jedoch aufgrund dunkel drohender Wolkenbildung am Grat und angesichts der Wetterprognose auf eine Begehung des Steigs. Über die Reste des Edelgrießgletschers – ausgeapert, Blankeis mit viel Geröll – gelangten sie zum Rosmariestollen, einem Tunnel durch das Massiv des Koppenkarsteins. Auf der Nordseite führt eine sehr lange, senkrechte Leiter (ca. 30 m) auf den Schladminger Gletscher, von dem aus die Beiden nach ca. 800 m an der Hunerkogel-Seilbahnstation ankamen. Der Abstieg erfolgte auf dem Weg Nr. 615, der im oberen Teil über steile Platten klettersteigmäßig versichert ist und weiter unten über das Schrofengelände und den „Zughals“ zur Dachstein-Südwand-Hütte führt. Von hier aus bis zum Hotel sind es noch ca. 30 Minuten. Nach einem gemeinsamen Abschlussbier ließen wir zufrieden den Tag ausklingen und machten uns am Sonntag wieder auf in Richtung Heimat.

Text: Holger Rech