Sicher am Berg: Firn und Eis für Einsteiger (28. Juli -1. August 2018)

Auf dem Mainzer Höhenweg zum Mainzer Wochenende (1. - 3. August 2018)

Eiszeit im Hochsommer

Der Mainzer Höhenweg ist nichts für Anfänger und nichts für Weicheier – das war klar! Vielleicht auch deswegen hatte sich die Hälfte der Teilnehmer*innen vor der Tour für den Kurs Eis und Firn im Kaunertal angemeldet.

Drei Tage Gletscherkunde, Tourenplanung, Spaltenbergung, Gehen mit Steigeisen und Pickel – die Homebase war das Gepatschhaus, Leader of the team: Thomas Brugger. Die drei Jungs und drei Mädels waren hochmotoviert, lernwillig und zäh. Tagsüber der einsame Kampf mit Eis und Schnee, abends der Kampf mit Fleischlappen und Beilagen auf der Hütte. Oder einfach nur Beilagen ohne Fleischlappen für Vegetarier. Der Hunger treibts rein!

Tatsächlich war das Essen der Halbpension nicht so ansprechend, aber die Lage war für den Kurs als Eis und Firn-Base-Camp einfach perfekt. Und ansonsten war die Hütte eigentlich auch ganz gemütlich. Hier gibt es sogar warmes Wasser in den Waschräumen! Also irgendwie Luxus, aber kein Highlight.

Unser Highlight kam zum Schluss: die letzte gemeinsame Tour ging auf die Weißsee-Spitze (3.526 m) über schneematschige Gletscher mit dem Ziel Apfelkuchen auf der Rauhekopfhütte (2.731 m), die traumhaft schön liegt zwischen Rauher Kopf und Schwarzwandspitze.

Beim ersten Besuch der Rauhekopfhütte zwei Tage zuvor sind wir über den schrumpfenden Gepatschferner aufgestiegen – ein echter Schrumpfweltmeister, dem man beim Schrumpfen fast zuschauen kann. Der Weg zum Einstieg auf den Gletscher ist gesäumt von Gedenksteinen: „Gletscherzunge 2010“, „Gletscherzunge 2014“. Allein 2017 hat sich der Gepatschferner um 125 Meter zurückgezogen. Noch ist der Gepatschferner ein guter Übungsgletscher und das Gepatschhaus damit eine gute Homebase für den DAV-Kurs. Wir waren ein echt cooles Team, das voneinander gelernt hat und das sich nach einem ausgefüllten letzten Tag in Eis und Schnee trennen musste. Danke an alle! Während der Großteil abgereist ist, sind wir zu dritt in den Bergen geblieben und haben nur das Auto umgeparkt zum Aufstieg auf den Mainzer Höhenweg. Erste Station: Rüsselsheimer Hütte.

Und was machen wir, die „essensgeschädigt“ aus dem Gepatschhaus kommen? Wir wollten die Halbpension abbestellen, aber um auf à la carte umzuswitchen waren wir zu spät. Also doch wieder „nur“ Halbpension. Aber was die Rüsselsheimer Hütte zu bieten hatte, war kein Vergleich: glückliche Fleischesser und glückliche Vegetarierinnen.

Weil für den kommenden Nachmittag schlechtes Wetter vorhergesagt war, drehte sich unsere Tourenbesprechung eigentlich nur ums Wetter. Ein Gewitter ist ungünstig in den Bergen, auch auf dem Mainzer Höhenweg. Also haben wir schon am Abend beschlossen zu biwakieren. Thomas hat es uns als cooles Abenteuer verkauft mit Hubschrauber-Landung und Rotwein. Das muss man sich mal vorstellen: im Biwak wartet der Rotwein!

Aber der Weg dorthin war anspruchsvoll. Es ging über Eis und Schnee und bröckelnde Hänge – die fühlen sich an wie Krokant, alles ist in Bewegung. Bei dem Sommer, bei der Hitze scheint es keinen Berg mehr zu geben, der sich fest anfassen lässt.

Die angeschriebenen zehn Stunden Gehzeit hätten wir niemals einhalten können. Als Gruppe waren wir viel zu langsam. Kurz vorm Biwak sind wir noch einem jungen Paar begegnet, das über den Notabstieg aufgestiegen ist, weil es morgens zu spät loskam. Wir haben das frisch gestrichene orangefarbene „Ufo“ am späten Mittag erreicht und kaum waren wir oben, setzte der Hubschrauber zur Landung an. Aber wir waren nicht alleine: neben uns hatten sich noch drei Männer aufs Biwakieren eingestellt – und da war ja noch das Paar: zehn Leute, aber nur neun Plätze. Die drei Männer waren recht schnell unterwegs und haben es tatsächlich gewagt weiterzulaufen. Wir haben sie dann nicht mehr gesehen.

Am nächsten Tag – wir waren schon eine Zeitlang unterwegs – saß da ein alter Mann am Berg, der wollte den Weg durchgehen. Der Vorschlag zu biwakieren erschien ihm abwegig. Er habe nicht viel Gepäck, nur ein Notfallwasser, er habe eben aus einer Pfütze getrunken. Wir haben es nicht gesagt, aber jeder hat es für sich gedacht: in den Bergen ist man nicht nur für sich selbst verantwortlich. Wer gerettet werden muss, bringt am Ende noch andere in Gefahr.

Wir hatten den perfekten Sonnenuntergang am Biwak auf 3.200 Meter in der Mitte des Mainzer Höhenwegs. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal biwakieren würde – das war die echte Luxusvariante. Es hat zwar an zwei Stellen noch reingetropft, aber wir blieben glücklicherweise trocken und haben den Abend und die Nacht im Biwak genossen. Für dieses Mal heißt es: Mission erfüllt!

Text: Kerstin Ripper