Der Winter ist eine ganz besondere Zeit: wenn der Himmel die Erde in Watte eingepackt hat, wenn die Pflanzen und Tiere sich in die Winterpause zurückziehen, ist auch für uns Menschen die Zeit der Besinnung, Erholung, Ruhe und des Skilanglaufs. Es gibt nichts Schöneres, als auf schmalen Brettern durch die weiße Landschaft zu gleiten. Erlebt man einmal die Stille und die Ruhe dieser Winterlandschaft, wird man ziemlich schnell danach süchtig. Auf der Suche nach dieser besonderen Erfahrung hat es uns (Karin, Katharina und Zivile) dieses Jahr nach Lappland verschlagen.
Ivalo ist der nördlichste Flughafen in Finnland und liegt etwa 250 km nördlich des Polarkreises. In der Wintersaison wird er direkt aus Frankfurt angeflogen. Etwa 30 km südlich vom Flughafen befindet sich das Skilanglaufgebiet Saariselkä mit etwa 200 km gut gespurten Loipen, wovon 34 km beleuchtet sind. Der Ort selbst hat nicht viel zu bieten: eine Straße, ein paar Hotels, Restaurants und Bars und ein Supermarkt, alles in eine weiße dicke Decke eingehüllt. Es ist sehr ruhig hier, kein Straßenlärm und andere störende Geräusche. Kein Wunder, hier leben nur etwa 300 Menschen.
Bei angenehmen -4 °C stiegen wir am ersten Morgen in die Loipe ein, die praktisch an unserem Hotel vorbeiführte. Wir waren nicht alleine, immer wieder huschten an uns Finnen vorbei, nicht ohne ein freundliches Lächeln.
Als wir uns bereits warmgelaufen hatten, riss plötzlich der zuvor bewölkte Himmel auf, die Sonne kam raus und tauchte die weiße Landschaft in ein gleißend helles Licht ein, das alleine durch das Tiefgrüne der Nadelbäume unterbrochen wurde. Es funkelte und glitzerte, als ob eine gute Fee eine Unmenge an Diamanten verstreut hätte. Schurr, schurr sang der Schnee unter unseren Skiern, niedrigwüchsige Tannen wogen sich leise im Wind und das Herz hüpfte wie ein kleines Kind vor Wonne und Glück.
Am nächsten Tag ist es noch kälter geworden: das Thermometer zeigte bereits -6 °C. Ursprünglich wollten wir in die Berge, das „Fjäll“, da aber die Wetterprognose nicht optimal war, haben wir eine andere Route vorgezogen. Die ersten sieben km verliefen ziemlich flach im Wald, aber danach begann die rote Loipe nach Luulampi, die ziemlich viel Anstieg aufwies, am Anfang leicht, dann immer steiler und die letzten drei km waren richtig steil und anstrengend. In Luulampi gab es eine schöne bewirtschaftete Hütte, in der wir uns mit heißen Getränken und Kuchen gestärkt haben. Die weitere Strecke war ein angenehmes Auf- und Abgleiten, sodass ich mich bald im Hotel gesehen habe. Aber wir bogen dann doch noch auf der halben Strecke in den Fjäll ab. Je weiter wir ins baumlose Gelände vorgedrungen sind, desto arktischer wurden die Verhältnisse. Die Loipe war kaum zu erkennen. Der Wind pfiff, heulte und trieb den feinen Schnee. Die tiefen Temperaturen wirkten noch tiefer. Die Schneekristalle peitschten gegen das Gesicht. Wir zogen die Sturmhauben an und schoben unsere Skier Schritt für Schritt den Hügel hoch, dem Wind trotzend. Wir überschritten das Fjäll und fuhren in Kurven ab. Als wir wieder im lichten Wald waren, war der Wind verschwunden und die Loipe war wieder da.
So wechselhaft sind die Verhältnisse, abhängig vom Gelände und Wetter. Die Temperaturen können hier sehr tief fallen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass man nicht zu stark ins Schwitzen kommt, weil sonst jede Pause auf der Loipe zur Überlebensübung wird.
Heute starteten wir bei Sonnenschein und ziemlich niedrigen Temperaturen mit dem Bus, um weiter weg liegende Loipen zu erreichen. Die Loipe von Kakslautanen ist zwar blau, aber sie zog sich wie Kaugummi. In der Hütte in Niilanpää stellten wir fest, dass die Zeit für die geplante Runde nicht reicht. Wir mussten den ursprünglichen Plan ändern. Die neue Route erwies sich als besonderer Leckerbissen. Sie führte tief in das Fjäll am Hang vom Kiilopää hinein, der höchsten Erhebung in diesem Gebiet, die 546 m misst. Sie führte steil hoch, wo das Weiße endete und das strahlende Blau begann. Oben angekommen, nutzten wir die Gelegenheit und bestiegen weglos den Gipfel. Der Horizont öffnete sich und gab den Blick frei auf die unendlich weite Landschaft, auf friedlich liegende Wälder, auf schneebedeckte Hügel.
Nach ein paar Tagen in der Loipe dachten wir, dass uns nichts überraschen könnte. Wir wussten noch nicht, dass uns das Beste noch bevorstand. Für einen der letzten Tage haben wir uns eine sogenannte Naturloipe ausgesucht und ich fieberte dem schon entgegen, da ich nicht genau wusste, was mich dort erwartet. Die Loipenkarte verriet nur, dass die Loipe ziemlich tief in den Fjäll führt und ein kurzes Stück schwarz ist. Die Wetterprognose versprach uns herrlichsten Sonnenschein und Windstille. Zunächst führte die Loipe in vielen Windungen durch ein lichtes Wäldchen. Es gab nur eine Spur, die nur in vorgegebener Richtung befahrbar war. Nach etwa acht km erreichten wir eine Feuerstelle und kurz danach begann das schwarze Stück, das sich als eine Loipe entpuppte, die steil im Wald bergauf führte. Die steilsten Stellen waren ohne Spur, aber sie waren im Grätenoder Treppenschritt gut zu meistern. Kurz darauf kamen wir in den Fjäll und von der Schönheit der Landschaft stockte uns der Atem. Die Schneekristalle glänzten und glitzerten in der Sonne, der Wind und die Kälte haben im Gespann manchen Büschen weiße Hauben aufgesetzt, andere ins Eis gehüllt, sodass sie zerbrechlich wie Kristall wirkten, und Wegmarkierungen und Schilder in wundersame Skulpturen verwandelt. Vor lauter Staunen wären wir beinahe an der Kota vorbeigefahren. So werden hier die unbewirtschafteten Blockhütten genannt, in welchen offenes Feuer brennt. Finnen grillen hier ihre Würstchen und bei heißem Getränk aus eigener Thermoskanne plaudern sie mit anderen Besuchern. Angetan von dieser netten Sitte, haben wir auch unsere Würstchen herausgeholt und auf den Rost gelegt. Sie haben wunderbar geschmeckt und uns Flügel verliehen, sodass wir die weitere Strecke nur so geflogen und nach einer kurzen Unterbrechung wieder in unserem Hotel gelandet sind.
Kaum haben wir es gemerkt, war die Woche schon wieder vorbei. Geblieben sind uns schöne Erinnerungen, Bilder im Kopf und vor der Linse und unsere Fitness, denn die 30 – 34 km täglich haben uns gut getrimmt.
Text: Zivile Dickmann