Grundkurs Hochalpin II unterwegs in den Urner Alpen (19. – 25. Juli 2019)

Während das Rhein-Main-Gebiet Mitte August unter der Hitze bis 40 Grad litt, schauten wir den Gletschern oberhalb des Sustenpasses beim Schmelzen zu. Im zweiten Sommer unseres Grundkurses Hochalpin waren wir, sechs Alpinas und zwei Alpinos, unter der Leitung von Sonja Haug und Annette Schorr auf Eis und Schnee unterwegs.

Zwecks Akklimatisierung wurde die erste Nacht am Sustenpass auf knapp 2.000 Metern verbracht, bevor es steil zur Tierberglihütte auf 2.795 m hinaufging. Dort erwartete unser frauendominiertes Grüppchen ein ausschließlich weibliches, sehr freundliches Hüttenteam und eine wunderschöne Rundumsicht. Entsprechend der Höhe und Umgebung der Hütte ist Wasser und Strom dort knapp. Doch die quasi nicht vorhandene Waschmöglichkeit und der Schweizer Wasserflaschenpreis konnten die gute Stimmung nicht trüben. Nachdem es noch eine Einführung zum Umgang mit Pickel und Steigeisen gegeben hatte, lauschten wir der sich dann vor jedem Abendessen in ähnlicher Weise wiederholenden Ansprache der Hüttenwirtin und der Wettervorhersage des jeweils „diensthabenden“ Bergführers.

Den (zum Glück einzigen) Regen am nächsten Morgen nutzten wir für die Tourenplanung auf die nahe gelegenen Dreitausender und für eine Weiterbildung zu den Höhenstufen der Alpen. Am Mittag erlaubte das Wetter dann den ersten Gletscherkontakt. Wir lernten das Einseilen, Gehen am Seil, Gehen mit Steigeisen und den Mannschaftszug zur Spaltenbergung.

Am dritten Tag ging es mit Sonnenaufgang auf die erste kleine Gletschertour. Ziel war der nahe gelegene Vordere Tierberg. Schon bald versperrte uns eine gar nicht so kleine Gletscherspalte den Weg, für deren Überquerung ein beherzter großer Schritt mit Pickeleinsatz notwendig war. Auch am Gipfel des Vorderen Tierbergs war der Pickel beim Anstieg im steilen Gipfel-Schneefeld ein nützlicher Begleiter. Dank des noch üppigen und schon weichen Schnees konnte dieser erste Alpinis auf dem Eis – Grundkurs Hochalpin II unterwegs in den Urner Alpen Dreitausender problemlos erklommen werden. Am Nachmittag stand nochmals die Spaltenbergung auf dem Programm, jetzt jedoch die etwas kompliziertere „Lose Rolle“. In Dreiergrüppchen übten wir Selbstsicherung, Ankerbau, Rücklaufsperre und die gut koordinierte Rettung aus der Spalte. Nach einem Liegestuhl-Chill-Out auf der Sonnenterrasse der Hütte folgte noch die Tourenplanung für den nächsten Tag.

Noch vor dem Sonnenaufgang waren wir am nächsten Morgen abmarschbereit – und alle pünktlich. Das Wetter war fantastisch und fast schon zu warm für diese Höhe. In zwei Fünfer-Seilschaften machten wir uns auf den Weg Richtung Sustenhorn. Das gleichmäßige Gehen am Seil war nun schon vertrauter. Weniger vertraut war jedoch der recht steile Anstieg mit Blankeis knapp unter dem Gipfel. Auf dem 3.502 m hohen Sustenhorn wurden wir dafür mit einer großartigen Aussicht belohnt. Während die Leitung die Abstiegssicherung plante, schoss der Rest der Seilschaften emsig Fotos in alle Richtungen und mit unterschiedlichen Posen. Im Abstieg wurde die Blankeis-Flanke wie von Sonja und Annette geplant mit einem Seil versehen: Am doppelt gesicherten Fixpunkt harrten wir geduldig und voller Neugier aus, bis Annette unter Verwendung aller zehn Eisschrauben die Seilsicherung aufgebaut hatte. Anschließend konnten wir unsere Klettersteigerfahrung einsetzen und sicher und guten Mutes hinabkraxeln. Der restliche Abstieg ging durch den sulzigen Schnee im Eiltempo vonstatten. Glücklich an der Hütte angekommen, war bei den meisten dann doch ein Nachmittagsschläfchen von Nöten.

Auch am vorletzten Tag gab es Sonne satt, so dass der letzten Genusstour auf den Mittleren Tierberg nichts im Wege stand. Jetzt kamen wir uns schon wie Routiniers vor. Der Nachmittag wurde nochmals zum Üben der Spaltenbergung und des Aufbaus einer Seilsicherung genutzt. Und während das Schmelzwasser unter uns hinwegfl oss, folgte zum Schluss noch ein Steigeisen-Tänzchen übers inzwischen frei liegende Eis: Steil aufwärts im Spitzentanz, schräg aufwärts überkreuz, steil abwärts im breitbeinigen Klositz und seitwärts im Hürdenlauf über die Pickel. Wir merken uns: Spaltenbergung und Steigeisen-Technik kann man nie genug üben.

Auch dieses Jahr war unsere Hochtourenwoche sehr gelungen und viele von uns waren sicher nicht das letzte Mal auf dem Gletscher unterwegs. Vielen Dank an Sonja und Annette für diese wunderschöne und sehr lehrreiche Woche!

Text: Margret Johst