Der neue Wegewart stellt sich vor

Die Wegwarte ist eine heimische, an sommerlichen Wegrändern häufig anzutreffende, über himmelblau bis leicht violett blühende Zichorienart. Sie ist seit vielen Jahren mein Lieblingsgewächs in unserer Mainzer Gegend. Sie fühlt sich aber eher in den Niederungen bis ins höhere Mittelgebirge wohl – ins Hochgebirge gehe ich deshalb ohne ihre Begleitung.

Als Flachland gewohnter ehemaliger „Hamburger Jung“ kam ich Ende der 1980er Jahre erstmals ins Hochgebirge – es waren die Julischen Alpen, die mir aus dem Stand das Virus der Bergbegeisterung schenkten, so dass ich fortan immer wieder die Alpen aufsuchen „musste“.

2007 wurde ich Mitglied des DAV in der Sektion Mainz und seither gehe ich immer wieder auch auf die Kaunergrathütte, bin so über die Jahre mit dem Pitztal und dem der Sektion Mainz anvertrauten Wegenetz bekannt geworden.

Im vergangenen Winter übernahm ich das Amt des Wegewarts von Nicole Scheuring und das erste aufrüttelnde Erlebnis im Amt war meine Teilnahme am Internationalen Hütten- und Wegesymposium in Benediktbeuern Ende Februar 2024: in nie zuvor erlebter Deutlichkeit wurde mir klar, die Berge sind in Bewegung und wir, die wir uns in ihnen bewegen wollen, wir müssen uns und unser Tun anpassen! „Es gibt Arbeit“, dachte ich bei mir!

Im Frühjahr begannen sich bereits die Nachrichten über Bergstürze und sich abwärts bewegendes Gestein – vornehmlich zunächst aus den Dolomiten – zu häufen. Inzwischen erreichen uns diese Nachrichten von Materialbewegungen auch aus Gegenden nördlich des Brenners und des Alpenhauptkamms.

Wenn sich die Wege selbst auf den Weg machen, muss der Wegewart hinterher laufen!

Im Juni 2024 war ich dann als Vertreter der Sektion Mainz auf dem Treffen der Wegegemeinschaft Pitztal und der Sektionen auf der Ludwigsburger Hütte. Hier wurde einmal mehr klar: die Berge sind in Bewegung! Denn es gab einige Beispiele von abrutschenden Wegen; so kam ich auf das Bild, dass sich nun vermehrt die Wege selbst auf den Weg machten, eine Qualität, die man ihnen genuin zunächst nicht zuschreiben würde. Jetzt wurde für mich deutlich: es gibt eine Menge zu tun auf den Wegen und tatsächlich hagelten sodann die Meldungen bei uns über Wegeschäden ein. Ich bin also mittendrin!

Wenn man, wie ich, „im richtigen Leben“ vollzeitig berufstätig ist, kommt da dem Wegewart noch so manch eine Stunde am Telefon oder Computer dazu. Aber tatsächlich sind wir Bergbegeisterten ja alle auch irgendwie Überzeugungstäter und wir würden diese Arbeit nicht tun, wenn wir darin keinen Sinn oder keine Erfüllung sähen. Schließlich sind wir alle Virusträger der Bergbegeisterung! Wir sind als Mitglieder des DAV und als Ehrenamtliche darüber hinaus Vertreter einer Gemeinschaft, die mit einem nicht nur entzückend schönen, sondern auch hochsensiblen Naturraum betraut sind, deren Erhaltung unser Anliegen ist – und um auf das Ich zurück zu kommen: das gilt uneingeschränkt auch für mich, dem aktuellen Wegewart der Sektion Mainz des DAV!

Es mag ein Zufall sein, aber zweifelsfrei ein schöner, dass meine Lieblingsblume die Wegwarte ist!

Jörg Ladiges